Teil 1: Die Anfänge
- Fabian von Kaenel

- 12. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Schon die heutigen historischen Quellen und archäologischen Funde lassen vermuten, dass der Standort des Schlosses Eglisau keineswegs zufällig gewählt wurde, er ist vielmehr Teil einer langen Entwicklung, in der regionale Kontrolle über Brücken, Fährverbindungen und Aussichtsstellungen eine Rolle spielte.
möglicher Römischer Hintergrund & strategische Lage
Die Burg von Eglisau wurde vermutlich auf Überresten eines römischen Wachturms errichtet. Diese Annahme stützt sich auf die strategisch günstige Lage direkt am Rheinufer sowie archäologisch gesicherte Wachtürme in der Umgebung: Bei der Tössegg und beim Kraftwerk Eglisau existieren gesicherte Reste römischer Wachttürme. Zusätzlich wird auf dem Rhinsberg bei Eglisau selbst eine römische Warte vermutet.
Die Position unmittelbar an einer Rheinquerung spricht dafür, dass bereits in römischer oder vorrömischer Zeit hier eine Brücke oder ein Fährbetrieb bestand. Ein Kontrollpunkt an dieser Stelle hätte Sinn: der Flussübergang war bedeutend für den Handel und die Mobilität im Gebiet zwischen Klettgau und Zürichgau.
So ist es naheliegend, dass später eine Burg mit einem Turm und weiteren hölzernen oder steinernen Nebengebäuden im Verlauf der Stadtentwicklung Eglisaus errichtet wurde, mit ständiger stofflicher Verbindung zur Stadtstruktur. Die Tuffsteine wurden in der Rheinhalde gewonnen und sind auch bei den Häusern in der Altstadt zu finden.
Zeit / Epoche | Ereignis / Bedeutung |
1.–4. Jh. n. Chr. | Römische Überwachung des Rheins; gesicherte Wachtürme bei der Tössegg und beim Kraftwerk Eglisau. Vermutete Warte auf dem Rhinsberg. |
Frühes Mittelalter (ca. 10.–11. Jh.) | Wahrscheinlicher Flussübergang (Fähre oder Holzbrücke) an der Stelle des späteren Schlosses. |
12.–13. Jh. | Entstehung einer ersten Burganlage mit steinernem Turm und hölzernen Nebengebäuden, wohl zeitgleich mit der Stadtgründung Eglisaus. |
1406 | König Ruprecht von der Pfalz verleiht dem Ritter Hans von Tengen das Hochgericht und den Blutbann „im Schloss Eglisauwe“ ältester Beleg (StAZH C I Nr. 2259). |
1438 – 1475 | Mehrere Urkunden bezeugen das Schloss als Herrschafts- und Verwaltungssitz (Vertrag Hüntwangen 1438, Pfandbrief 1475). |
15.–16. Jh. | Ausbau zum repräsentativen Verwaltungssitz; Anlage des sogenannten „Neuen Schlosses“ vor dem alten Turm. |
1709 | Detaillierte Beschreibung der Schlossgebäude im Staatsarchiv (StAZH C III 6). |
1743 | Randnotiz im Grundriss: Mauer zum Rhein „in gar schlechtem Stand“ – Beginn des baulichen Verfalls. |
1798 | Französische Truppen im Raum Eglisau; Rheinbrücke mehrfach zerstört. Das Schloss wird stark in Mitleidenschaft gezogen. |
1810–1844 | Schrittweiser Abbruch der Schlossgebäude; Steine für Strassen- und Brückenbau wiederverwendet. |
Aufbau & Funktion des Turms: was uns die Zeichnungen verraten

Die beiden historischen Abbildungen, für die wir bereits Übersetzungen angefertigt haben, liefern uns Einblicke in die innere Struktur und Symbolik des Turms:
Querschnitt des Turms mit Nummerierung Aus der Zeichnung geht hervor, dass der Turm in mehrere Stockwerke gegliedert war, von der „Diebsloch“-Zelle im Erdgeschoss über Geschosse mit Fenstern und steinernen Gewölben bis zum Dachstuhl mit Buffetsaal und „Schlüsselturm“. Der Text betont, dass der Turm „tief in die Erde gebaut“ sei: also ein robuster, massiver Kernbau, dessen Fundament stark verankert war.
Wappen & Glasfenster in der Herren-Kammer Die Zeichnung rechts dokumentiert Wappenfenster, die in der sogenannten Herren-Kammer eingebracht wurden. Der Begleittext beschreibt: „In dem Schloss Eglisau sind von den alten Freyherren keine Monumenta, weder von Wappen noch Inscriptions zu finden. … In der Herren-Cammer in einem Fenster zehn Scheiben mit Wappen … gezeichnet.“ Daraus lässt sich schliessen, dass politische Repräsentation auch über Glasmalereien und Heraldik Ausprägung fand.
Basierend auf diesen Quellen ergibt sich folgendes Modell für die Anfänge der Anlage:
Der Turm diente primär als Wehr- und Signalbau, nicht als gewöhnliches Wohngebäude.
In einer späteren Phase entstand vor dem Turm ein massiver, spätgotischer Bau: das „Neue Schloss“ als Wohnraum.
Im Laufe der Zeit wurden sukzessive Nebengebäude (Wirtschaftsgebäude, Stallungen, Wohnbauten) angebaut und räumlich in den Komplex integriert.
Vergleich mit regionalen Burganlagen am Rhein
Die Ausmaße des Schlosses von Eglisau waren bemerkenswert für diese Gegend:
Im Vergleich zum noch existierenden Schloss Rötteln (bei Hohentengen, Deutschland) war Eglisau deutlich grösser in seiner Gesamtanlage.
Selbst die Burganlagen der Umgebung (z. B. die drei Burgen „Wassersteltz“) waren im Vergleich bescheidener dimensioniert.
Diese Dimension lässt darauf schliessen, dass Eglisau mehr als nur eine lokale Burg war: eine Verwaltungseinheit mit entsprechendem Status und Ambitionen.

Legende zum Grundriss des Schlosses Eglisau (18. Jahrhundert)
Die Karte trägt den Titel: „Grundriss des Schlosses und Zollhauses zu Eglisau“ und wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gezeichnet. Sie dokumentiert den baulichen Zustand der Anlage mit allen Gebäuden, Zugängen und Nebennutzungen.
Transkription der Buchstabenlegende (Originalschreibung)
a. Gehälter zum Sand und darob zur Feuer-Spritzen unter dem Thor
b. Zollhauss
c. Zollstock
d. Sommer Läubli und Garten zum Zollhauss
e. Brunnen so auch dienet zu dem Wösch-Hauss
g. Bacheoffen
h. Knechtstuben
i. Durchfahrt unter der Audienz-Stuben
k. Reutter Cammer
l. dem Läubli aus welchem man aus der Herren-Stuben die Stägen hinauf zum obern Boden und der Reutter-, Rebühner- und Seckelmeister-Cammer kommt
m. durch das so genannte Finstere Loch zur Rheinbrugg
n. Hof bey den Pferd-Ställen
o. Margstall
p. Eingang zum Margstall und andern Pferd-Ställen
q. Stägen zur Knechten-Cammer
r. Baugel[ände] oder Werkstatt
s. Thurn in welchem das so genannte Diebslocht. Das alte Wohnhauss in welchem jetzt Schüler und Gefangenschafften
u. Ausgang allda in ein mit Wasen bewachsener Platzv. Portal und Eingang ins Schlossw. Schloss Brunnen
Nr. 1. Steinerne Schnecken-Stägen
Nr. 2. Stägen auf den Gang zur Audienz-Stuben
Nr. 3. Zum oberen Stübli
Nr. 4. Stägen zur Kuchi und Herren-Stuben
Randnotiz:„Ist zu gewahren, dass Anno 1743 die Maur gegen den Rhein in der Länge der Herren-Stuben und Kuchi in gar schlechtem Stand gewesen, also …“

Kommentare